Öffentliche Stellungnahme des Geographieverbands zur geplanten Restrukturierung des
Faches „Geographie“ an der Universität Salzburg
Graz, 22. Oktober 2020
Sehr geehrter Rektor Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Hendrik Lehnert,
sehr geehrter Senatsvorsitzender Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Faber,
sehr geehrter Vorsitzender des Universitätsrats, Univ.-Prof. Dr. Georg Lienbacher!
Der Vorstand des Verbands der wissenschaftlichen Geographie Österreichs (kurz: Geographieverband) hat erfahren, dass an der Paris Lodron Universität Salzburg signifikante Strukturänderungen geplant sind, die auch den Fachbereich „Geologie und Geographie“ betreffen. Selbstverständlich obliegt es jeder Universität sich selbst zu organisieren, um die bestmöglichen Voraussetzungen für national und international angesehene Forschung und herausragende Lehre anzubieten. Da es die Aufgabe des Geographieverbands ist, die gesamte wissenschaftliche Disziplin der Geographie in Österreich zu vertreten und zu fördern, sehen wir uns dennoch veranlasst, zu den aktuellen Restrukturierungsplänen Stellung zu beziehen, zumal diese Pläne nach unserer Einschätzung nicht nur Folgen für das Fach Geographie am Standort Salzburg haben, sondern auch für unsere gesamte Disziplin. Die Geographie zeichnet sich im universitären Fächerkanon durch eine hochspezialisierte Ausrichtung in der sozialwissenschaftlich orientierten Humangeographie und der naturwissenschaftlich ausgerichteten Physiogeographie aus, kombiniert mit methodisch ausgerichteten Fachrichtungen wie Kartographie und Geoinformatik. Zugleich liegt ihre besondere Stärke in der Erforschung von Mensch-Umwelt-Beziehungen und der Verknüpfung von natur- und sozialwissenschaftlichen Perspektiven, sowohl in theoretischer und konzeptioneller Hinsicht als auch mit einem breiten Methodenspektrum in der empirischen Forschung. Aktuelle Forschungsthemen der Geographie bilden beispielsweise Klimawandel und Globaler Wandel, Nachhaltigkeit, Globalisierung und Digitalisierung, Naturkatastrophen und Risikomanagement, Fragestellungen im Bereich der geographischen Gesundheits- und Pandemieforschung, der Stadtökologie sowie der Raumplanung und -entwicklung. Zur Attraktivität für Studierende tragen die forschungsgeleitete geographische Lehre und die Gesellschaftsrelevanz der Themen genauso bei wie die berufsorientierte Bildung. Vor diesem Hintergrund setzen wir uns für eine – inhaltliche wie organisatorische – Einheit des integrativen Faches Geographie an österreichischen Universitäten ein.
Nach unseren Informationen plant die Universität Salzburg, den Fachbereich „Geologie und Geographie“ auf verschiedene Fakultäten und Fachbereiche aufzuteilen. Dazu nehmen wir wie folgt Stellung.
- Das Vorhaben, die bisherige Einheit aufzulösen und die Professuren mit den Mitarbeiter*innen an andere Fachbereiche zu übersiedeln, schwächt einen bedeutsamen Vorzug des Faches, nämlich die Verknüpfung natur- und sozialwissenschaftlicher Perspektiven.
- Eine solche Aufteilung steht auch im starken Kontrast zu Trends auf österreichischer und internationaler Ebene. Angesichts der besonderen aktuellen, aber auch zukünftigen Gesellschaftsrelevanz geographischer Forschung zu Mensch-Umwelt-Verhältnissen sind alle anderen Geographie-Institute an österreichischen Universitäten in den letzten Jahren gestärkt und auch mit zusätzlichem Personal weiter ausgebaut worden.
- Die Studiengänge „Bachelor Geographie“, „Master Geographie“, „Master Angewandte Geoinformatik“ und das „Lehramtsstudium Geographie und Wirtschaftskunde” (GW) am Standort Salzburg zielen alle auf eine integrative Betrachtung komplexer Wechselbeziehungen von Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt sowie den Erwerb von Kompetenzen in diesen verschränkten Bereichen. Genau dies fordern sowohl der österreichische “Grundsatzerlass Umweltbildung für nachhaltige Entwicklung” als auch die übergeordneten GW-Bildungsaufgaben in den AHS-Lehrplänen. Dieses Lehrangebot sollte auch zukünftig gemeinsam organisiert und abgestimmt werden.
Der Geographie-Standort Salzburg bildet mit international bedeutenden Forschungsleistungen, eigenständigen Forschungsthemen und Lehrinhalten eine der Säulen der wissenschaftlichen Geographie in Österreich. Selbstverständlich begrüßen wir uneingeschränkt und nachhaltig die Bestrebungen, den Standort attraktiv und nach außen sichtbar in Forschung und Lehre weiterzuentwickeln. Unseres Erachtens ist eine Aufteilung des Faches Geographie dafür jedoch nicht der richtige Weg. Sollte eine Aufteilung nicht zu verhindern sein, dann bittet die Vertretung der wissenschaftlichen Geographie Österreichs das Rektorat, den Senat und den Universitätsrat der Universität Salzburg, bei der Umstrukturierung
- die Findung von Denominationen für die jeweiligen neuen Fachbereiche zu unterstützen, bei der das Fach „Geographie“ und seine Subdisziplinen „Humangeographie“ (sozialwissenschaftliche Geographie) und „Physische Geographie“(naturwissenschaftliche Geographie) klar erkennbar und unterscheidbar bleiben,
- strukturelle, personelle und organisatorische Voraussetzungen zu erhalten, die die Disziplin Geographie langfristig stärken und fördern,
- bestmögliche Voraussetzungen für eine Erhaltung der qualitativ hochwertigen, gesellschaftsrelevanten und berufsorientierten Bildung in allen Studiengängen zu schaffen,
- innovative Forschung in den jeweiligen spezialisierten Richtungen der Geographie und der integrativen „Mensch-Umwelt-Forschung“ weiterhin zu fördern und
- den Wissenschafter*innen, dem allgemeinen Universitätspersonal und den Studierenden nach wie vor eine „Geographie-Identität“ zu ermöglichen.
Sehr gerne steht der Vorstand des Geographieverbands für weiterführende Informationen und einen allfälligen Austausch zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen, im Namen des gesamten Vorstands,
Univ.-Prof. Dr. Ulrich Ermann,
(Vorsitzender des Vorstands des Geographieverbands)